Symposium mit anschließender interdisziplinärer Diskussion
Möglichkeiten und Grenzen von erweiterten DNA-Analysen – ohne und unter Einschluss der biogeographischen Herkunft (BGA)
Wissenschaftler unterschiedlicher Fachrichtungen werden darstellen, welche Möglichkeiten den Strafverfolgungsbehörden durch die Einführung der sogenannten „erweiterten DNA-Analyse“ (vgl. § 81e Abs. 2 StPO) heute schon zur Verfügung stehen und welche Erfahrungen in anderen Ländern mit der Ausschöpfung des vollen Potenzials dieser Verfahren unter anderen rechtlichen Rahmenbedingungen gewonnen wurden. Mit dieser Veranstaltung möchten wir ein Überdenken der aktuellen Gesetzeslage anstoßen. Als Grundlage für die Diskussion sollen die beigefügten Hintergrundinformationen dienen.
Dazu laden wir Sie herzlich ein! Für Rückfragen stehen wir jederzeit gerne zur Verfügung. Wir bitten um eine Rückmeldung bis zum 31. Juli 2024, ob Ihnen eine Teilnahme möglich ist.
Mit freundlichen Grüßen
Prof. Dr. S. Ritz – Präsidentin der DGRM (Deutsche Gesellschaft für Rechtsmedizin)
Prof. Dr. K. Anslinger – 1. Vorsitzende der Spurenkommission
Prof. Dr. S. Lutz-Bonengel – 1. Vorsitzende der UFG (Universitäre Forensische Genetik)
Mittwoch, 18. September 2024
Hörsaal des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Düsseldorf
Moorenstraße 5, Gebäude 14.84, 40225 Düsseldorf
Die Anmeldefrist ist leider abgelaufen.
Bitte wenden Sie sich an:
Pia.Jores@qiagen.com.
Hintergrundinformationen
Das volle Potenzial der „erweiterten DNA-Analyse“ nutzen
Seit einer Änderung im Jahr 2019 erlaubt die Strafprozessordnung die sog. „erweiterte DNA-Analyse“, also Feststellungen bezüglich der Haar-, Haut- und Augenfarbe sowie des Alters eines unbekannten Spurenverursachers (§ 81e Abs. 2 StPO). Im Zuge dieser Änderung wurde darauf verzichtet, Feststellungen zur sog. „biogeographischen Herkunft“ zuzulassen.
Dieser Verzicht hatte folgende Konsequenzen:
- Ohne Kenntnis der genetischen Herkunft einer Person sind die Vorhersagen der Haar-, Haut- und Augenfarbe sowie des Alters wenig präzise.
- Unpräzise Vorhersagen können auf einen inkorrekten Phänotypen hinweisen und so die polizeiliche Ermittlung nach Straftaten in eine falsche Richtung lenken.
- Feststellungen zu Haar-, Haut- und Augenfarbe sowie zum Alter werden durch Ermittlungsbehörden aufgrund der eingeschränkten Relevanz nur selten in Auftrag gegeben.
Die Erweiterung aus dem Jahre 2019 erscheint heute als zu enge Grenze für die Strafverfolgung. Deshalb soll am 18. September 2024, etwa fünf Jahre nach dieser Änderung, im Rahmen der Veranstaltung „Möglichkeiten und Grenzen von erweiterten DNA-Analysen – ohne und unter Einschluss der biogeographischen Herkunft (BGA)“ in Düsseldorf eine konstruktive Bilanz über die Auswirkungen und den Nutzen dieser Änderung gezogen werden. Im Lichte wissenschaftlicher Expertisen sollen Möglichkeiten und Grenzen einer Erweiterung des Einsatzes forensischer Werkzeuge in einem interdisziplinären Diskurs zwischen Wissenschaft, Strafverfolgungsbehörden und politischen Entscheidungsträgern ausgelotet werden.
Im Kontext der Strafverfolgung dienen die Methoden der „erweiterten DNA-Analyse“ der Erlangung fahndungsrelevanter Informationen über unbekannte Verursacher von DNA-Tatortspuren bzw. Informationen, die der Identifizierung unbekannter Toter dienen, wodurch die polizeiliche Ermittlung maßgeblich unterstütz werden kann.
Die genetische Vorhersage von Haar-, Haut- und Augenfarbe basiert auf der Analyse von Einzel-Nukleotid-Polymorphismen (engl. SNPs, gesprochen „Snips“), deren Ausprägung mit einer bestimmten Pigmentierung assoziiert ist. Durch die parallele Analyse mehrerer solcher SNPs und anhand von Vorhersagemodellen werden Wahrscheinlichkeitswerte für das Vorhandensein der einzelnen Ausprägungen (z.B. blond, braun, etc.) berechnet und anhand dieser das wahrscheinlichste Erscheinungsbild einer Person geschätzt.
Die dabei genutzten Vorhersagemodelle basieren auf Referenzproben, deren Erscheinungsbild bekannt ist. Diese Referenzgruppen zeigen deutliche Unterschiede zwischen verschiedenen Regionen der Welt. Eine Schätzung der Pigmentierung einer unbekannten Person unter Zugrundelegung einer nicht passenden Referenzgruppe aus einer anderen Ursprungsregion führt unweigerlich zu unpräzisen Vorhersagen.
Die Schätzung des Alters einer Person beruht auf der Analyse einer altersabhängigen chemischen Veränderung der DNA, der sog. DNA-Methylierung. Die DNA-Methylierung ist unter anderem abhängig von Lebensweisen und Ernährungsgewohnheiten, was die in wissenschaftlichen Studien beobachteten Unterschiede zwischen den hier verwendeten Referenzgruppen aus verschiedenen Regionen der Welt erklärt. Auch für die Schätzung des chronologischen Alters wurde gezeigt, dass populationsspezifische Vorhersagemodelle das chronologische Alter mit einer deutlich höheren Präzision schätzen als populationsunspezifische Modelle.
Dies bedeutet, dass die bislang in der Strafprozessordnung verankerten Feststellungen zur Schätzung der Pigmentierung und des Alters noch nicht ihr volles Potenzial in der Strafverfolgung erreichen.
Mit Analysemethoden zur Schätzung der biogeographischen Herkunft einer unbekannten Person steht eine wissenschaftlich valide Technologie zur Verfügung, mit der die genetische Herkunft einer Person vor allem auf kontinentaler Ebene verlässlich vorhergesagt werden kann. Anders als häufig fälschlicherweise vermutet, wird bei dieser Analyse nicht die kulturelle oder ethnische Zugehörigkeit oder gar die Staatsangehörigkeit einer Person bestimmt, sondern ausschließlich eine Feststellung darüber getroffen, aus welcher geografischen Weltregion die (mütterlichen und väterlichen) Vorfahren einer Person wahrscheinlich stammen.
Der Nutzen, der sich aus der Verknüpfung der Analyse zur biogeographischen Analyse mit den Methoden der erweiterten DNA-Analyse ergibt, ist eindeutig wissenschaftlich belegt. Diesem bei rein nüchterner Betrachtung klar erkennbaren investigativen Mehrwert wird die Sorge entgegen gehalten, dass die Veröffentlichung solcher Informationen zu Rassismus bzw. zu sog. „Racial Profiling“ führen könnte.
Trotz dieses Einwandes ist es die Überzeugung der Organisatoren des anvisierten Treffens, dass die Vorhersage der biogeographischen Herkunft wissenschaftlich möglich und vertretbar sowie für die Strafverfolgung wünschenswert wäre. Hierzu bedarf es jedoch eines eng definierten rechtlichen Rahmens. Dafür ist eine sachlich orientierte Debatte aus der Mitte des politischen Spektrums heraus notwendig. Eine zeitnahe Initiative erscheint auch deshalb dringlich, um einer rein populistischen Besetzung dieses Themas durch rechtsextremistische Strömungen rechtzeitig und seriös die Grundlage zu entziehen.
Agenda und ablauf
Möglichkeiten und Grenzen von erweiterten DNA-Analysen – ohne und unter Einschluss der biogeographischen Herkunft (BGA)
| Start | Thema und Sprecher |
|---|---|
| 12:15 Uhr | Empfang mit Catering |
| 12:45 Uhr | Begrüßung: Prof. Dr. Stefanie Ritz, Institut für Rechtsmedizin Düsseldorf Grußwort: Herbert Reul, Minister des Inneren des Landes Nordrhein-Westfalen |
| 13:00 Uhr | Biologische Grundlagen, Limitierungen und forensische Methoden der erweiterten DNA-Analyse Prof. Dr. Cordula Haas, Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich |
| 13:30 Uhr | Ein Insider-Blick auf die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der forensischen investigativen genetischen Genealogie - Wie die Ahnenforschung in den USA neue ermittlungstaktische Ansätze liefert. R. Stephen Kramer, FBI Legal Counsel (Retired), President of Indago Solutions & Isak Bosman, Chief AI Officer, Indago Solutions |
| 14:00 Uhr | Rechtliche Grundlagen der erweiterten DNA-Analyse - unnötige Bremse oder sinnvolle Grundlage? Jens Gnisa, Direktor des Amtsgerichts Bielefeld |
| 14:30 Uhr | Pause mit Catering |
| 15:00 Uhr | Möglichkeiten und Grenzen der erweiterten DNA-Analyse in Österreich Ministerialrat Mag. Dr. Reinhard Schmid, Büroleiter des zentralen Erkennungsdienstes, Bundeskriminalamt des österreichischen Innenministeriums |
| 15:30 Uhr | Regulierung der erweiterten DNA-Analyse in der Schweiz Dr. Martin Zieger, Institut für Rechtsmedizin, Bern |
| 16:00 Uhr | Möglichkeiten und Erwartungen bei der erweiterten DNA-Analyse in Bezug auf „Cold Cases” Markus Weber, Leiter der Ermittlungsgruppe Cold Cases in Köln |
| 16:30 Uhr | Offene Diskussionsrunde Moderiert von Prof. Dr. Marielle Vennemann, Institut für Rechtsmedizin Münster |
| 17:30 Uhr | Ausklang mit Catering, Gelegenheit für weitere Gespräche |
| Ca. 18:30 Uhr | Abendessen mit den Sprechern und Organisatoren *Bitte voranmelden* |
ReferentIN
Prof. Dr. Cordula Haas
Cordula Haas ist promovierte Biologin und Leiterin der Forschungsgruppe Forensische Genetik am Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich. Zu ihren Forschungsinteressen gehören RNA-Profiling-Methoden zur Identifizierung von Körperflüssigkeiten und genetische Abklärungen beim plötzlichen Kindstod (SIDS) und bei plötzlichen ungeklärten Todesfällen (SUD) bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Die Zürcher Forschungsgruppe befasst sich auch intensiv mit der biogeografischen Herkunftsbestimmung und der Altersschätzung von Spurengebern. Cordula Haas ist Mitglied der Schweizerischen Gesellschaft für Rechtsmedizin (SGRM), der International Society of Forensic Genetics (ISFG) und ist Chair der European DNA Profiling group (EDNAP).
Referent
R. Stephen Kramer
Herr Kramer verfügt über 25 Jahre Erfahrung in der Strafverfolgung als FBI-Anwalt, als Bundesanwalt und als stellvertretender Bezirksstaatsanwalt. Er hat Mordfälle, Unternehmensbetrugsfälle und Fälle der nationalen Sicherheit strafrechtlich verfolgt. Im Jahr 2013 beteiligte er sich maßgeblich an den Ermittlungen zum Golden State Killer – einem der gefährlichsten Serienmörder und -vergewaltiger in der Geschichte der USA, der aber lange unenttarnt blieb. Herr Kramer leitete die forensische genetische Genealogie (FGG)-Untersuchung, die im April 2018 zur Verhaftung des Golden State Killers führte. Herr Kramer und FBI-Spezialagent Stephen Busch gründeten das FGG-Team des FBI, das über 100 der gewalttätigsten Verbrechen in den Vereinigten Staaten aber auch international aufgeklärte. Im Jahr 2021 verließen Herr Kramer und Herr Busch das FBI und gründeten Indago Solutions, LLC, einen KI-basierten Softwaredienst, der die genetische Genealogie automatisiert.
Referent
Jens Gnisa
Richter Jens Gnisa ist bereits seit 2012 Direktor des Amtsgerichts Bielefeld. In der Vergangenheit hatte er verschiedene Funktionen inne:
Von 2002 bis 2005 war er Geschäftsführer des Landesverbandes NRW des Deutschen Richterbundes (DRB) und von 2005 bis 2008 der gewählte Landesvorsitzende des DRB in Nordrhein-Westfalen. Im Jahr 2010 wurde Herr Gnisa in das Präsidium des Deutschen Richterbundes gewählt, dessen stellvertretender Vorsitzender er dann ab 2013 war. Von 2016 bis 2019 war er Vorsitzender des Deutschen Richterbunds (DRB) und während seiner Amtszeit wurde am 31. Januar 2019 der Pakt für den Rechtsstaat geschlossen, mit dem Bund und Länder die Justiz bis 2021 nachhaltig stärken wollten.
Zum 31. Dezember 2019 trat Gnisa vom Amt des DRB-Vorsitzenden zurück, um bei der Kommunalwahl in NRW für das Amt des Landrates im Kreis Lippe zu kandidieren. Jens Gnisa ist Mitglied der CDU und war Vorsitzender des CDU-Stadtverbands Horn-Bad Meinberg sowie Mitglied des Bundesparteigerichts der CDU.
Referent
Ministerialrat Mag. Dr. Reinhard Schmid
Herr Schmid leitet seit 2003 – nach >40-jähriger Tätigkeit als Polizeibeamter, Kriminalbeamter, Tatortexperte, Polizeijurist und Forensikexperte – im Bundeskriminalamt des österreichischen Innenministeriums den österreichischen Erkennungsdienst in welchem die Biometrie- und DNA Datenbanken Österreichs zentral laufen. Daneben ist er der stellvertretende Leiter der Forensikabteilung des BK. Herr Schmid ist zudem Projektmanagementtrainer des österreichischen Innenministeriums und Leiter zahlreicher Projekte mit Fokus auf die Schaffung von Rechtsgrundlagen und den operativen Aufbau von biometrischen Datenbanken und Datenverbundsystemen in Österreich, der EU, dem Westbalkan und globalen Sicherheitsorganisationen wie Interpol, Europol oder der UNO.
Seit über 20 Jahren ist er Delegationsleiter Österreichs und Vorsitzender in mehreren internationalen Biometriexpertengruppen, wie etwa zur Schaffung des kriminalpolizeilichen EU Prümer Datenverbundsystems, der Interpol DNA Datenbank und Prüm ähnlichen Datenverbundsystemen mit Drittstaaten wie den USA, dem Vereinigten Königreich oder aktuell den Westbalkanstaaten und zur Schaffung eines neuen Interpol Biometric Hub Systems bei IPGS Lyon.
2018 war er während der EU Präsidentschaft Österreichs der Vorsitzende der EU Mitgliedstaaten zu den EU Interoperabilitätsverordnungen und erreichte den Verhandlungsabschluss mit dem EU Parlament. Außerdem vertritt das Österreichische Standardisierungsinstitut „ASI“ in der Internationalen Standardisierungsorganisation „ISO“ für die Entwicklung weltweiter Biometriedatenstandards.und ist gelisteter Fachexperte bei der EU Kommission sowie beim UN Office of Counter Terrorism, für internationale Polizeikooperation, Biometriedatennutzung und Außengrenzschutz.
Referent
Martin Zieger, Dr. ès sc., MLaw
Martin Zieger ist Abteilungsleiter (Forschung und Lehre) der Forensischen Molekularbiologie am Institut für Rechtsmedizin der Universität Bern. Seine wissenschaftliche Arbeit deckt verschiedene Teilbereich der Forensischen Genetik ab, wobei sein besonderes Interesse der Regulierung der Forensischen Genetik gilt. Er war in den Gesetzgebungsprozess der jüngsten Revision des Schweizer DNA-Profil-Gesetzes involviert und ist Mitglied des Forensic Databases Advisory Boards der International Society for Forensic Genetics, sowie der Eidgenössischen Kommission für genetische Untersuchungen beim Menschen.
Referent
Markus Weber
Als Erster Kriminalhauptkommissar der MK Cold Case in Köln ist der 62-Jährige ein hoch erfahrener Mordermittler und klärte in seiner Laufbahn eine Reihe von spektakulären Mordfällen in Köln auf. Herr Weber war zum Beispiel Chefermittler beim Dreifachmord von Overath im Jahr 2003 und 2007 der Leiter der Mordkommission im Fall der getöteten Millionärin Jutta Heimüller aus dem Hahnwald. Auch den brutalen Mord am „schönen Helmut“ am Rudolfplatz im Jahr 2012 klärte er auf.
Seit 1981 ist Herr Weber bereits bei der Polizei in Nordrhein-Westfalen und ging zunächst nach der Ausbildung für kurze Zeit zur Schutzpolizei in Köln, wechselte dann aber im Jahr 1989 zur Kriminalpolizei. Nach 5 Jahren beim Erkennungsdienst (Spurensicherung) ist er mittlerweile seit 30 Jahren bei der Mordkommission/Todesermittlung und davon die letzten drei Jahre mit der Bearbeitung von sogenannten Cold Cases beschäftigt.
Mittwoch, 18. September 2024
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Internes Postfach: 718
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